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Ach ja, die Umwelt. Einst war sie einfach nur unser Lebensraum, doch heute ist sie zum politischen Streitthema geworden, das Familientreffen nicht selten heftiger entzweischlägt als Jason Voorhees in „Freitag der 13.“. Bei derart polarisierenden Themen ist es leider nicht leicht, den pragmatischsten Weg zum besten Ergebnis zu finden.
Mit diesem Artikel versuchen wir, ein gesundes Mittelmaß zu finden: Zum einen beleuchten wir die Umweltbelastung durch das Internet der Dinge (IoT), zum anderen aber auch Möglichkeiten, wie diese Technologie die Umwelt entlasten könnte.
Auswirkungen auf die Umwelt
Alles, was der Mensch tut, wirkt sich irgendwie auf die Umwelt aus. Das Ausmaß dieser Auswirkungen zu erfassen, ist jedoch nicht immer einfach. Nehmen wir zum Beispiel die Umweltbelastung durch künstliche Intelligenz (KI): Hier ist die Energie zu berücksichtigen, die für die Herstellung der elektronischen Komponenten einer Serverfarm verbraucht wird. Auch die Umweltverträglichkeit des Abbaus von Rohstoffen, die für diese Elektrobauteile notwendig sind, ließe sich einbeziehen. Doch wie sieht es mit dem Training eines KI-Systems aus?
Eine Studie von MIT Technology Review kam 2019 zu dem Ergebnis, dass das Trainieren einer „Standard-KI“ mit nur einer einzigen Hochleistungsgrafikkarte den gleichen CO2-Ausstoß verursacht wie ein Flug quer durch die Vereinigten Staaten von Amerika. Beim Training einer weitaus komplexeren KI wie einer NLP-Anwendung (Natural Language Processing) liegt die CO2-Bilanz sogar beim Fünffachen dessen, was ein amerikanisches Auto über seine gesamte Lebensdauer hinweg ausstößt, einschließlich seiner Produktion. Das ist ziemlich viel für einen Umwelteinfluss, der nicht sichtbar ist.
Beim Internet der Dinge ist die riesige Menge der ausschlaggebende Faktor. Je nachdem, welche Quelle man heranzieht, waren Ende 2021 schätzungsweise zwischen 31 Milliarden und 36 Milliarden IoT-Geräte im Einsatz. Prognosen für 2025 belaufen sich auf 75 Milliarden Geräte; bis zum Ende des Jahrzehnts werden 125 Milliarden vorausgesagt. Das bedeutet auch eine Menge Abfall.
„Smarte“ Geräte haben zwei Probleme, die das ohnehin schon riesige Problem von Elektromüll noch weiter verschärfen. In vielen Produkten werden heute Halbleiter verbaut, die früher nicht nötig waren. Dadurch verkürzt sich die Lebensdauer, je mehr Elektronik verbaut wird: Produkte, die früher eine Lebensspanne von 15 Jahren hatten, müssen heute bereits nach spätestens fünf Jahren ersetzt werden.
Nicht von der Hand zu weisen ist auch, dass viele kleine vernetzte Geräte wie Fitnesstracker, Smart-Uhren und Wearables im Grunde Schrott sind, sobald der Akku versagt. Dann kann der Verbraucher sie eigentlich nur noch wegwerfen und ein neues Gerät kaufen.
Das wäre vielleicht alles nicht so bedenklich, gäbe es nicht bereits, wie unser geschätzter Bill Marshall von Designspark selbst einmal betont hat, eine enorme Menge an Elektroschrott. Und mit „enormer Menge“ meine ich etwa 57,4 Millionen Tonnen allein im Jahr 2021 – das ist mehr als das Gewicht der Chinesischen Mauer, dem weltweit schwersten von Menschenhand geschaffenen Objekt.
Die Kreislaufwirtschaft
Wenn wir also all diese neue Infrastruktur einrichten, wie können wir die Umweltbelastung dann eindämmen? Ein Vorschlag, der bei politischen Entscheidungsträgern immer mehr Zustimmung findet, ist der Umstieg auf eine Kreislaufwirtschaft. Bei dieser Form der Wirtschaft werden materielle Ressourcen im Grunde nie entsorgt, sondern kontinuierlich wiederverwendet.
In der Theorie macht dieses Modell den Abbau neuer Rohstoffe aus der Erde überflüssig – oder reduziert ihn zumindest auf ein Minimum. Ebenso entfällt der Abfall, der sonst auf einer Deponie oder in einer Müllverbrennungsanlage landen würde. Amsterdam hat sich vorgenommen, bis 2050 zu einer Stadt mit vollständiger Kreislaufwirtschaft zu werden, und namhafte Hersteller wie Volkswagen und Unilever haben bereits groß angekündigt, ebenfalls auf Kreislaufwirtschaft umsteigen zu wollen.
„Grüne“ Ansätze wie dieser sorgen für Aufmerksamkeit, doch die Idee dahinter wurde ebenfalls schon mehrfach recycelt. Ursprünglich stammt sie von Daniel Knapp, der das Konzept des vollständigen Recyclings bereits in den 1980ern ins Spiel brachte und als Antwort auf den wachsenden Müllberg der Konsumgesellschaft der 80er Jahre den Begriff „Zero Waste“ prägte.
Wie unterscheidet sich eine Kreislaufwirtschaft vom konventionellen Recycling? Gute Frage. Ein wesentliches Problem beim Standardrecycling ist, dass die Materialien beim Recyceln verunreinigt und damit minderwertig werden. Dadurch können sie nicht in den gleichen hochwertigen Anwendungen wie ursprünglich wiederverwendet werden. Die Folge: Die Nutzbarkeit der Materialien nimmt mit jedem Recyclingzyklus ab. Meist befinden sie sich auch am falschen Ort, um wiederverwendet zu werden. Wird ein Produkt beispielsweise in China hergestellt und in Großbritannien verkauft, dann lässt es sich dort nicht wiederverwenden, selbst wenn es ohne Qualitätsverlust recycelt werden könnte.
Um annäherungsweise so etwas wie einen Kreislauf zu erreichen, bräuchten wir Systeme, in denen die Qualität der Rohstoffe über eine unbegrenzte Anzahl von Zyklen erhalten bleibt und wo Produktion und Recycling nahe beieinander stattfinden. Dies läuft dem anhaltenden Globalisierungstrend entgegen, da die Fertigung und Wiederverwendung geografisch womöglich extrem gebündelt werden müsste. Dagegen arbeiten auch die sehr realen physikalischen Faktoren wie Dissipation und Entropie, sodass jeder neue Durchlauf neue Materialien und Energie erfordert, um Verluste auszugleichen. Die praktischen Grenzen einer solchen Kreislaufwirtschaft werden in akademischen Artikeln hier und hier sehr gut aufgezeigt.
Die Elektroindustrie
Die Fertigung elektronischer Geräte gehört wohl zu den am wenigsten für eine Kreislaufwirtschaft geeigneten Produktionssparten, denn diese Geräte erfordern so viele seltene und ungewöhnliche Materialien, die in äußerst komplexen Strukturen miteinander verbunden werden, dass sie sich nur schwer trennen und recyceln lassen. Dennoch unternehmen einige Unternehmen den Versuch einer Kreislaufnutzung.
Spire produziert einen Gesundheitstracker zum Aufkleben, dessen nicht auswechselbare interne Knopfzellenbatterie etwa 18 Monate durchhält. Danach kann das Wearable zum Recycling bei Spire eingeschickt werden. Der Tracker ist so konzipiert, dass sich seine Komponente leicht auseinandernehmen und recyceln lassen. Es ist kein leichtes Unterfangen, einen Klebstoff für einen Tracker zu finden, der sich in der Maschine waschen lässt – etwas zu entwickeln, das waschbar, wasserdicht und einfach zu zerlegen ist, dauert sehr lange.
Da stellt sich die Frage, ob Industrie und Verbraucher auch außerhalb des medizinischen Bereichs bereit sind, zugunsten ausgereifter, aber teurerer Geräte, die sich bestmöglich recyceln lassen, auf billige Wegwerfartikel zu verzichten. Nicht zu vernachlässigen sind auch die Kosten für die Rückholung defekter Geräte, besonders wenn ihr Einsatzort weit entfernt liegt. Sicher wird mir jeder zustimmen, dass es das Richtige wäre, aber der Mensch lässt seinen Worten nicht immer Taten folgen, insbesondere, wenn damit finanzielle Nachteile verbunden sind.
Mehr Nutzen als Schaden?
Das wohl größte Problem an der Kreislaufwirtschaft ist wohl, dass ihre Umsetzung selbst mit den besten Absichten noch sehr lange dauern wird. Bereits heute wird der Müllberg des nächsten Jahrzehnts produziert. Kann also das derzeit existierende und genutzte Internet der Dinge der Umwelt mehr Gutes tun, als es ihr schadet? Es gibt einige, die diese Frage mit einem enthusiastischen „Ja!“ beantworten würden.
Dem Whitepaper von 6GWorld zufolge könnten sich mit IoT bis 2030 fast 1,8 PWh (ein Petawatt sind 1015 Watt) an Stromverbrauch und weitere 3,5 PWh an Kohlenwasserstoffverbrauch einsparen lassen. Das entspräche einer Gesamtenergieeinsparung von 5,3 PWh oder etwa einer Gigatonne weniger CO2-Emissionen. Dem gegenüber stehen 653 TWh (ein Terawatt sind 1012 Watt) an Energie, die für den Betrieb der IoT-Geräte aufgewendet werden müssen, die diese Einsparungen erzielen könnten, und zwar hauptsächlich in den Bereichen Gebäudemanagement, Flottenmanagement sowie Verkehrsüberwachung und -steuerung.
Ein Aspekt, der im Laufe der Zeit immer dringlicher werden könnte, ist die Einsparung von fast 230 Milliarden Kubikmetern Süßwasser, gerade auch angesichts der Prognosen, dass 52 % der Weltbevölkerung bis 2050 in Gebieten mit Wasserknappheit leben werden. 35 % der Einsparungen könnten durch den optimierten Betrieb der Wasserversorgungsnetze erzielt werden, der größere Anteil aus dem Einsatz von IoT bei der Bewirtschaftung von Ackerflächen.
All dies ließe sich mit „nur“ 657.000 Extratonnen an Elektromüll erzielen.
Weitere Anwendungsgebiete
Abseits der ausgetretenen Pfade, die beim Internet der Dinge eingeschlagen werden (wie Gebäudemanagement, Verkehrsmanagement und Landwirtschaft), gibt es weitere Bereiche, in denen sich das Internet der Dinge positiv auf die Umwelt auswirken könnte.
Einer davon ist die Lebensmittellieferkette. Beinahe ein Drittel (1,6 Milliarden Tonnen) aller weltweit produzierten Lebensmittel werden weggeworfen. Um diesen riesigen Müllberg zu reduzieren, könnten Kühlketten mit drahtlosen IoT-Sensoren gesteuert werden. Sie können die Umgebungsbedingungen über die Lieferkette überwachen und die optimale Beleuchtung, Luftqualität und -feuchte sowie Temperatur regeln, sodass die Lebensmittel bis zum Verzehr frisch bleiben.
Ein weiteres Einsatzgebiet ist der direkte Umweltschutz:
Im hochmodernen Zentrum La Olivilla im Süden Spaniens konnte der vom Aussterben bedrohte Pardelluchs im Rahmen eines Zuchtprogramms erhalten werden: Mittlerweile gibt es wieder über 300 dieser Großkatzen. Sie werden in sicheren Lebensräumen ausgewildert und mit Halsbändern versehen, an denen sich Funksender befinden. So können die Bewegungen jedes Tieres wie bei anderen IoT-Asset-Managementsystemen georeferenziert werden. Zudem werden sie mit vernetzten Drohnen überwacht, um ihren physischen Zustand aus der Ferne zu beobachten.
Derweil versucht das in San Francisco ansässige Start-up Rainforest Connection, mithilfe innovativer IoT-Systeme illegale Abholzung und Wilderei zu stoppen.
Abschließende Gedanken
Kann sich das Internet der Dinge positiv auf die Umwelt auswirken? Vielleicht.
In Ermangelung einer Kreislaufwirtschaft setzen manche Hersteller auf eine längere Lebensdauer von Produkten und entwickeln Geräte mit ultraniedrigem Stromverbrauch in Kombination mit Energy-Harvesting-Technologien, um die Lebensspanne von Akkus zu verlängern oder Batterien komplett überflüssig zu machen. Dank Remote-Gerätemanagement und Over-the-Air-Updates (OTA) lässt sich das Veralten von Geräten hinauszögern, sodass sie nicht so schnell auf dem Müll landen.
Durch Infrastruktursteuerung, vor allem bei industriellen Prozessen, lassen sich mit Sicherheit Effizienzgewinne erzielen.
Der wichtigste Faktor ist und bleibt aber der Verbraucher. Wir müssen uns überlegen, welche Geräte wirklich „smart“ sein müssen. Und dabei meine ich nicht nur den offensichtlichen Billigplunder, sondern die vielen Anwendungen, die für IoT geradezu prädestiniert zu sein scheinen. Ist beispielsweise eine „intelligente“ Beleuchtung und Klimatisierung tatsächlich umweltfreundlicher, als eine verantwortungsbewusste Unternehmenskultur zu leben, in der der Letzte, der einen Raum verlässt, das Licht und die Klimaanlage ausschaltet? Wollen wir uns mit „smarter“ Technologie wirklich von unserer persönlichen Verantwortung freikaufen, bis hin zu dem Punkt, an dem die meisten Menschen in einer oder zwei Generationen zu bequemlichen, rückschrittlichen Eloi verkommen? Ich behaupte nicht, alle Antworten auf diese Fragen zu kennen, aber politische Entscheidungsträger müssen diese Probleme mutig angehen, wenn wir nicht wie WALL-E auf einem Riesenberg von Müll leben wollen.
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