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Wir Menschen sind von Natur aus Tüftler. Archäologische Funde zeigen, wie die Menschen bereits in der Frühzeit auf Ihre Umwelt einwirkten, um ihre Existenz zu verbessern, indem sie Unterschlupf, Wärme, sichere Nahrung und Schutz vor Räubern schufen. Höhlenmalereien und einfacher Schmuck deuten auf den Willen hin, natürliche Ressourcen zu nutzen, um höhere Bedürfnisse zu befriedigen, wie etwa Kommunikation und Selbstdarstellung.
Die menschliche Natur hat sich bis heute wahrscheinlich kaum verändert. Enorm verändert haben sich aber unsere Bedürfnisse und die Werkzeuge zu deren Befriedigung. Dies geht soweit, dass unser Eifer mittlerweile das Potenzial erkennen lässt, nicht wiedergutzumachenden Schaden anzurichten, wenn wir ihn nicht kontrollieren. Die Erderwärmung ist eine der vielen Folgen unserer Arbeit, der wir jetzt Grenzen setzen müssen, um gefährliche Konsequenzen zu vermeiden.
Das Übereinkommen von Paris der Vereinten Nationen aus dem Jahr 2015 ist Ausdruck des weltweiten Konsens, den Temperaturanstieg bis 2050 gegenüber vorindustriellen Werten auf 1,5–2,0° C zu begrenzen, um die Welt so bis Mitte des Jahrhunderts klimaneutral zu machen.
Der globale Temperaturanstieg ist mit der Zunahme von Treibhausgas in der Atmosphäre verbunden, vor allem von Kohlendioxid. Zum Erreichen des UN-Ziels müssen wir alle daran arbeiten, die weitere Zunahme von Treibhausgas in der Atmosphäre zu minimieren und am besten zu stabilisieren oder zu reduzieren. Dieser Gedanke steckt hinter „Net Zero“. Aber was bedeutet es wirklich und wie können wir es erreichen? Und wie können wir als berufstätige Ingenieur:innen konkret dazu beitragen?
Genauso real wie der Klimawandel ist unser Wunsch, die verfügbare Energie und erschließbaren Ressourcen in dem Bestreben zu nutzen, unser Leben sicherer, gesünder, länger und erfüllender zu machen; dieser natürliche Drang treibt uns alle an.
Was ist Net Zero?
Zunächst sollte man das zu erreichende Ziel verstehen. Gemäß der Oxford Net Zero Group bedeutet Net Zero, „Treibhausgasemissionen zu reduzieren und/oder sicherzustellen, dass laufende Emissionen durch Entnahmen kompensiert werden.“ Und weiter: „Es heißt nicht umsonst Netto-Null, denn es wird sehr schwer werden, alle Emissionen innerhalb der Zeitvorgabe auf Null zu reduzieren. Wir werden nicht nur tiefe und weit verbreitete Einschnitte vornehmen, sondern wahrscheinlich auch die Entnahmen hochskalieren müssen.“
Als Ingenieur:innen können wir die Emissionsminderung auf verschiedene Arten beeinflussen, wie etwa durch Produktdesign und Händlerauswahl. Die Abscheidung und Entnahme von Kohlenstoff ist schwerer zu beeinflussen.
Net Zero als Design
Was das Produktdesign betrifft, können Ingenieur:innen etwas beitragen, indem sie neue Produkte schaffen, die Endverbrauchern helfen, „Net Zero“ zu werden. Ausrüstung für intelligente Gebäude ist ein Beispiel dafür. Diese wird bekanntlich nur selten verbaut und besonders selten in Wohngebäuden. Neben den Kosten sind u. a. auch veraltete Anlagen die Ursache dafür, die sich nicht einfach nachrüsten lassen bzw. Installateure, die von der neuen Technologie nicht genug verstehen. Technologieanbieter könnten helfen, Probleme wie diese zu bewältigen, vielleicht indem sie Installateure besser schulen. Vielleicht würde schon so etwas Einfaches wie ein Workshop oder eine Online-Hilfe-Community weiterhelfen. Produkte für intelligente Gebäude sind nur ein Beispiel. Auf fast jedem Markt ist es neben der Herstellung des Produkts wichtig, Nutzern zu helfen, klimaschonende Produktinnovationen zu verstehen und anzuwenden.
Andererseits könnten Verbraucher dazu ermutigt werden, große finanzielle Verpflichtungen einzugehen – z. B. durch das Nachrüsten von intelligenter Beleuchtung und Heizung – wenn sie wüssten, dass sie die Investition auf einen längeren Zeitraum verteilen könnten, ohne sich Sorgen zu machen, dass die gewählte Produktreihe vor der letzten Rate obsolet wird. Manche Halbleiterhersteller garantieren die Langlebigkeit bestimmter Produkte bis zu einem bestimmten Datum. Entgegen dem typischen Ansatz schneller Obsoleszenz könnten Produktfabrikanten Verbrauchermärkten ähnliche Sicherheiten bieten. Dies könnte auch dazu beitragen, stärkere und dauerhaftere Beziehungen zu Partnern und Verbrauchern herzustellen.
Besonders visionäre und originelle Ingenieur:innen können brandneue Dinge erfinden, die verändern, wie Menschen sich verhalten, oder energiebewusste oder umweltfreundliche Aktivitäten beliebt machen. Die ganze Zeit werden neue Technologien verfügbar, die bisher Unmögliches möglich machen. So werden durch kompakte und preiswerte Hochleistungsakkus zum Beispiel neue E-Mobilitätslösungen ermöglicht. Es gibt auch kleine, benutzerfreundliche und kabellose IoT-Sensormodule, mit denen man von der Stange Überwachungsgeräte bauen kann, die Alarm schlagen, wenn das Licht oder die Heizung an einem unbeaufsichtigten Standort angelassen wurden, wie etwa in einem Anbau. Wir müssen dies nicht den Herstellern intelligenter Zähler überlassen.
Auch bestehendes Anlagendesign lässt sich verbessern, um den Energieverbrauch beim Betrieb zu reduzieren. Von der neusten Generation integrierter Schaltkreise wird fast immer weniger Energie verbraucht als von der Vorgängergeneration, dank modernerer Verfahrenstechnik und energiesparender Designoptimierungen, wie etwa speziell verringerter Leistungsmodi, die Nutzer per Software betreiben können. Stromwandelschaltungen lassen sich mit effizienteren Topologien, Digital-Power-Prinzipien und Halbleiter mit breitem Bandabstand verbessern.
Zusätzlich kann man über CO2-Emissionen in Verbindung mit jeder Komponente und Baugruppe auf der Materialliste nachdenken: Ließe sich das Design von Teilen wie etwa dem Gehäuse so ändern, dass Recyclingstoffe oder ein äquivalenter Werkstoff verwendet wird, der durch CO2-arme Prozesse produziert wird? Auch die Auswirkung von Verpackung und Versand ist zu berücksichtigen, genauso wie die Netto-Null-Verpflichtung der gewählten Anbieter. Gründliche Lieferanten-Audits erfordern sorgfältige Recherchen und ihre Unterstützung. Am Ende werden Sie eine Vorstellung der gesamten mit dem Produkt assoziierten CO2-Emissionen bzw. seiner eingebetteten Emissionen haben.
In der Baubranche werden eingebettete Emissionen bereits weithin als Möglichkeit diskutiert, die Nachhaltigkeit von Gebäudedesign und -material zu bewerten. Es gibt Forderungen nach einer universellen Kennzeichnung eingebetteter Emissionen für jede Art von Produkt. Es gibt jedoch bereits etablierte CO2-Kennzeichnungsschemata und von Unternehmen wie Apple werden Informationen veröffentlicht, die nicht nur inspirieren, sondern auch die Erwartungen erahnen lassen, an denen sich vielleicht alle High-Tech-Firmen in Zukunft messen müssen.
Mehr oder weniger intelligent?
Dadurch dass eingebettete Systeme und sogar kleine Komponenten wie Inertialsensoren mit KI ausgestattet sind, wird es möglich, komplexe Funktionen durch den Bau von Geräten bereitzustellen, die nur einen Bruchteil der Kosten und des Energieverbrauchs vorheriger Systeme mit konventioneller Verarbeitung aufweisen. Die Dekarbonisierung wird von Systemen maschinellen Lernens durch das Vermeiden von Energieverschwendung unterstützt: So werden Beleuchtung und Heizung durch intelligente Technologie automatisch an Verbrauchsmuster angepasst und Produktionsabfälle durch Sensorik und Inspektionssysteme reduziert.
Im Allgemeinen werden durch KI in peripheren und eingebetteten Computersystemen mit geringem Stromverbrauch CO2-Emissionen für Aufgaben wie optische Inspektion, Biometrik und Objektklassifizierung eingespart, die bei der Ausführung großer KI-Algorithmen in der Cloud entstehen würden.
Sollten wir andererseits darüber nachdenken, manche „Dinge“ weniger intelligent zu machen? Konstrukteure packen normalerweise eine Menge Technologie in Konsumgüter, um sie für Käufer attraktiv zu machen: elektronische Funktionen, Leuchten, hochauflösende Farbbildschirme mit animierten Grafiken, Smartphone-Konnektivität. Planetenbewusste Käufer:innen erkennen möglicherweise die Vorzüge von Produkten, die weniger (aber angepasstere) Funktionen haben und sich mit einem kleineren Akku oder Energie aus der Umgebung betreiben lassen und mit weniger statt mehr internen Schaltungen so wenig Elektroschrott wie möglich erzeugen.
Je mehr das Umweltbewusstsein wächst und alles was wir tun, besitzen und verwenden davon erfasst wird, umso mehr und umso eingehendere Fragen werden Kunden Ingenieur:innen dazu stellen, welchen CO2-Einfluss die Produkte haben, die sie kaufen. Und sie werden glaubhafte Antworten erwarten.
Als Ingenieur:innen müssen wir mit Markterwartungen Schritt halten und die neusten Kennzeichnungsschemata und -methoden kennen, um die CO2-Bilanz der Produkte und Dienstleistungen zu bewerten, die wir anbieten. Dies ist genauso wichtig wie sich über die geltende technische Norm auf dem Laufenden zu halten.
Es gibt jede Menge Meinungen zu den Umwelteinflüssen der Produkte, die wir auf den Markt bringen, aber nicht alle sind der Branche und dem Handel wohlgesonnen. Wir könnten bei renommierten Organen wie dem Weltwirtschaftsforum nach verlässlichen Kommentaren zu nachhaltiger Fertigung suchen.
Negative CO2-Emissionen
Was die Entnahme von Treibhausgasen angeht, wird durch CO2-Abscheidung bis zu 14 % der bis 2050 erforderlichen Kohlendioxidreduktion erreicht, gemäß dem US-amerikanischen Center for Climate and Energy Solutions. Viele Projekte zur CO2-Abscheidung und -Speicherung (CSS) sind jedoch mit groß angelegter Gasverarbeitung und -herstellung sowie mit Ölrückgewinnung verbunden. Natürlich sind manche Ingenieur:innen direkt daran beteiligt, CCS-Technologie zu entwickeln oder Anlagen in Fabriken in Betrieb zu nehmen oder zu installieren. Anders herum ist es vielleicht möglich, Produkte in unseren eigenen Designs zu verwenden, die aus abgeschiedenem Kohlenstoff gemacht werden. Während ein großer Anteil abgeschiedenen Kohlenstoffs permanent in tiefen Gesteinsformationen gespeichert werden soll, wird manches davon in Produkten wie Baustoffen verwertet.
Andere Ansätze zur CO2-Entnahme beinhalten Erhaltung und Wiederaufforstung. Sie könnten sich bei renommierten Plänen vor Ort, national oder international engagieren. Während finanzielle Unterstützung offensichtlich immer erforderlich ist, könnten Sie auch erwägen, Arbeitsgeräte oder Dienstleistungen, wie etwa Kommunikation, Navigation/Vermessung, örtliche Beleuchtung oder Sicherheitsausrüstung bereitzustellen oder freiwillig bei Aktivitäten mitzuhelfen.
Fazit
Netto-Null-Emissionen zu erreichen ist unbedingt erforderlich, um den globalen Temperaturanstieg gemäß dem Übereinkommen von Paris zu begrenzen. Jeder kann daran mitwirken, auch Ingenieur:innen. Beim Erstellen eines Produkts können sich zahlreiche Aspekte darauf auswirken, welche Auswirkung es auf CO2-Emissionen hat, darunter das Hardware- und Softwaredesign, die Auswahl von Komponenten und Lieferanten und Fertigungsprozesse. Konsumentenerwartungen werden bestimmt steigen und Produktdesigner:innen müssen zu Experten für Themen wie der CO2-Bewertung werden.
Emissionen zu reduzieren, ist eine Seite der Netto-Null-Gleichung. CO2 aus der Atmosphäre zu entnehmen ist die andere, für die es verschiedene Ansätze gibt, einschließlich der Unterstützung von Initiativen zum Schutz und der Wiederherstellung von Ökosystemen.
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